Davensberg - Das Tor zur Davert

Löwen begrüßen jetzt die Besucher

Vieles liegt noch aus der Davensberger Geschichte im Dunkeln, so auch die genaue Geschichte der "Davensberger Löwen". Im Jahrbuch des vergangenen Jahres bildeten wir ein Foto aus den 60er-Jahren ab: Damals wurde der Treppenaufgang, der noch vom Hof Merten aus auf den Burgturmhügel führte, von den zwei steinernen Löwen bewacht.

Wo sind die eigentlich die Löwen?
Als der Heimatverein im Herbst des vergangenen Jahres dieses Foto für die Veröffentlichung im Jahrbuch in Händen hielt, kam gleich die Frage auf: "Wo sind eigentlich die Löwen?" - Und eine spannende Spurensuche begann! Erste Nachforschungen ergaben, daß die Löwen vermutlich bei den Renovierungsmaßnahmen am Burgturm im Jahre 1971 entfernt wurden. Und nach einigen weiteren Recherchen konnte Wilhelm Henrichmann Ende Oktober 1998 berichten: "Die Löwen sollen im Keller der Grundschule in Ascheberg eingelagert sein!" Natürlich wurde kurzfristig ein "Besichtigungstermin" anberaumt.

Die Löwen müssen nach Davensberg!
Und da standen sie dann wirklich, im hintersten Keller ganz hinten in einer dunklen Ecke: Zwei stark verwitterte Figuren, kaum noch als Löwen zu erkennen. Aber die Vorstandsmitglieder waren sich schnell darüber einig: Die Löwen müssen wieder nach Davensberg zum Burgturm! Doch das war leichter gesagt, als getan. Zum einen mussten historische Recherchen angestellt werden, und zum anderen war es mehr als fraglich, ob die Figuren überhaupt zu restaurieren waren.

Kaum historische Dokumente bekannt
Zunächst ergaben die historischen Recherchen, dass außer einer Federzeichnung von U. Ludorff aus dem Jahre 1891 (veröffentlicht in: Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, Verlag Schöningh, Münster, 1893) keine Zeichnung oder Foto neueren Datums bekannt war. Auf verschiedenen Fotos sind die Löwen immer nur im Hintergrund zu erkennen, Detailaufnahmen sind bis jetzt nicht bekannt. Ludorff bezeichnet sie 1891 im Inventarverzeichnis der "Schloßruine, Besitzer: von Esterhazy" als "2 Löwen als Wappenhalter, Stein, 1,03 m hoch". Er macht keine Aussagen dazu, wo die Löwen damals gestanden haben.

Wappenhalter zierten das Torhaus
Durch die intensiven Nachforschungen von Dr. Helmut Müller (Staatsarchiv Münster) ist bekannt, dass die Löwen noch um 1800 das Torhaus der Burg Davensberg schmückten. Sie waren oben über oder neben dem Torbogen angebracht. Der Torbogen selber trug die Jahreszahl 1519, was in die Ausbauphase der Burg unter Balthasar von Büren und seinem Sohn Johann fällt. Das Torhaus selbst besaß "ein mit Ziegeln gedecktes Walmdach, war mit 8 Türen, 4 Blei- und 4 Gußeisenfenstern, 2 Treppen und einem Portal mit 2 Ständern zu je 12 1/2 Fuß Höhe (ca. 3,90 m) und mehreren Kaminen ausgestattet." (Dr. Helmut Müller in "Ascheberg", 1978).

Waren die Löwen ein Hochzeitsgeschenk?
Der Standort am Tor des Torhauses wird damit auch der Bedeutung der Löwen gerecht: Der männliche Löwe hält das Wappen der Familie von Büren (der "Büren'sche Löwe"), folgerichtig stellt die zweite Figur eine Löwin mit dem Wappen der Familie von Coevorden dar (drei Adler). Beides "passt" geschichtlich zu den Allianzwappen am Kaminsims im Burgturm. So liegt die Vermutung nahe, daß die Originalfiguren 1521 zur Hochzeit von Johann von Büren mit Maria von Coevorden als "Wappenhalter" geschaffen und am Torhaus angebracht wurden, um den Eingang zu bewachen und schon "vor den Toren" jedem zu zeigen, wer die herrschende Familie der Burg Davensberg war. Die Herrscher der Burg aber kamen und gingen, die Besitzverhältnisse wechselten mehrfach, die Burg wurde verpfändet, geplündert, in Brand gesetzt, verlassen, und wieder bewohnt - sehr wechselhafte Zeiten hat der Burgturm in Davensberg erlebt.

Torhaus wird 1855 abgerissen
Um 1802 wird das Torhaus im Archiv Nordkirchen Nr. 2221 als baufällig bezeichnet, und im Frühjahr 1855 schließlich abgerissen. Aus dem Abbruchmaterial wurde ein neues Schulhaus erbaut. Wo die beiden Löwen zwischen 1855 und den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts ihre Standorte hatten, ist uns bis heute unbekannt. Sicher ist nur, dass sie die wechselhaften Zeiten überdauert haben und damit die wohl ältesten Inventargegenstände der Burg Davensberg sind.

Können die Originale restauriert werden?
Die historischen Wurzeln der Löwen waren somit, zumindest in groben Umrissen, geklärt. Aber völlig unklar war weiterhin, ob die starken Schäden an dem brüchigen Sandstein der Originalfiguren zu restaurieren waren. Jetzt war die Arbeit von Experten gefragt und der Heimatverein beauftragte den Herberner Bildhauer Andreas Fabritius und dessen Kollegen Fritz Steller. Das Denkmalpflegeamt wurde eingeschaltet und auch Dr. Müller stand dem Heimatverein wie schon so oft mit Rat und Tat zur Seite. Es stellte sich schnell heraus, dass an eine Restaurierung nicht zu denken war, dafür war der Zustand der Originalfiguren einfach zu schlecht. Und so wurde dann dieIdee geboren, aus den Fragmenten beider Löwen möglichst originalgetreue Sandstein - Nachbildungen zu schaffen. Dieser Vorschlag wurde den Mitgliedern des Heimatvereins auf der Versammlung am 18. März 1999 vorgestellt und fand sofort Zustimmung. Damit war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Löwen nach Davensberg zurückkehren konnten.

Langwierige Rekonstruktionsarbeiten
Und hier begann dann erst die Arbeit für die Bildhauer. Die alten Fragmente wurden zunächst in Ton aufmodelliert. Von den so erstellten Figuren wurden Gipsmodelle erstellt, von denen aber nur ein Löwe ein Wappen hatte. Das passende "Gegenstück" mußte also nachmodelliert werden. Aber wie sah das fehlende Wappen aus? Sowohl am Altar in der St. Anna-Kirche als auch im Kaminzimmer des Burgturmes finden sich Wappen der Brautleute, allerdings sind die Formen unterschiedlich. Die ursprüngliche Form konnte also auf dieser Grundlage nicht mehr rekonstruiert werden. Dr. Müller vom Staatsarchiv in Münster konnte helfen: Er beschaffte eine alte Federzeichnung, die die Wappen relativ originalgetreu wiedergab. So konnten die Bildhauer dann die Löwen im Gipsmodell vollständig rekonstruieren. Von den Modellen wurden dann Hüllen angefertigt, in die anschließend Steinersatzmasse gefüllt wurde. Jeweils rund 220 kg bringen die Löwen auf die Waage und gut 300 Arbeitsstunden waren nötig, um die imposanten Nachbildungen anzufertigen.


Wappenhalter mit dem Wappen
der Edelherren von Büren

Wappenhalter mit dem Wappen
der Familie von Coevorden

 

Auch die Originale finden würdigen Platz

In Absprache mit dem Denkmalpflegeamt wurde der Standort der Nachbildungen und auch der Originale festgelegt: Die Nachbildungen "bewachen" die Zufahrt und stehen damit heute fast genau an der Stelle, wo einst das Torhaus gestanden hat. Die Originale aber werden rechts und links vom Kamin in der Burgstube ihren Platz finden.


Löwen "bewachen" die
Zufahrt zum Burgturm







Und so sind die "verschollenen" Löwen jetzt nach Davensberg zurückgekehrt. In ihrer wechselhaften Geschichte haben sie einen neuen Platz gefunden.

Und sie üben heute die Aufgabe aus, die ihnen schon vor über 475 Jahren zugedacht war: Sie halten ein wachsames Auge auf die Burg Davensberg.

Hermann-Josef Bergmann

(entnommen dem "Davensberger Jahrbuch 2000", Heimatverein Davensberg)